Ein Projekt der Christoph Merian Stiftung. Neuer Kunstraum für zeitgenössische Kunst.

Konzert

21/07/2013

Jagwa Music (EAT)

Jagwa Music ist eine blutjunge Band aus Dar es Salaam in Tansania, die verzwickte Grooves in einer irren Geschwindigkeit aus traditionellen und behelfsmäßigen Instrumenten zaubern. Zu einem uralten und ramponierten Kinanda (= Casio), der von Daliki oder Diploma gespielt werden, kommt eine vierköpfige Percussiongruppe angeführt von Mazinge (der aufgrund seiner Kunst auch „Kompyuta“ genannt wird), die Tänzerin Cathy Msafiri und der charismatische Leadsänger und MC Jackie Kazimoto, der Songs über das Überleben im Großstadtdschungel, untreue Liebhaber und Voodoo rausschmettert.

Ihre Musik nennt sich Mchiriku und entwickelte sich vor vielen Jahren in den Vororten von Dar es Salaam, als billige Casio-Keyboards aufkamen und die Aufmerksamkeit der Chakacha-Bands auf sich zogen. Jagwa Music und andere Bands fühlten sich direkt stark von den Lo-Fi-Sounds des Casio angezogen, integrierten die neuen Sounds in ihre Musik und benannten das Instrument in Kinanda um (= „eine Kiste, die Musik spielt“). Die „Kiste“ schlossen sie dann an uralte Verstärker und Megafone an, was zu einem ganz neuen, direkt zur Sache kommenden, kribbelnden und verzerrten Klang führte. Diesen neuen Sound nannte man Mchiriku. Seitdem floriert die Musik in Tansania, obwohl die Medien des Landes ihn aufgrund seiner Nähe zur Unterwelt ganz bewusst ignoriert haben.

Jagwa Music wurde schon vor 20 Jahren gegründet und hat sich personell über die Jahre immer wieder erneuert und verjüngt. In Dar es Salaam hat die Band eine große Anhängerschaft – fast jeder kennt ihre Songs, die sich mit Alltagsthemen wie dem Überleben in der Großstadt, Arbeitslosigkeit, Gewalt in der Familie, Untreue, AIDS, Drogen und Alkohol befassen und viele ihrer Texte wurden zu geflügelten Worten. Zitate aus ihren Songs kann man sogar als Slogans auf den Dala Dala-Bustaxis finden.

Fast alle Mitglieder von Jagwa Music arbeiten als Dei-Waka in Dar es Salaams unbarmherzigem privaten Bustaxi-Geschäft. Dei-Waka sind unlizensierte Fahrer, die als Springer arbeiten, wenn einer der anderen Fahrer von der Polizei geschnappt wurde oder aus anderen Gründen nicht zur Arbeit erscheint. Andere Bandmitglieder sind sogenannte Manamba, die für ein paar Geldstücke Kunden in die Dala Dala-Busse locken. Bis zum frühen Nachmittag haben sie meist genug Geld verdient, um über den Tag zu kommen und treffen sich am Nachmittag im Hinterhof ihres Patrons um neue Stücke zu proben. Ab Freitag Abend spielen sie Auftritte bei Familienfeiern und Hochzeiten in Dar es Salaam und anderen Städten der Umgebung.

Jagwa Music sind aber nicht nur in ihrer Heimatstadt bekannt, ihre elektrifizierenden Auftritte bei europäischen Festivals wie Roskilde haben sie auch dem europäischen Publikum nahe gebracht. Manche nennen die Musik aufgrund ihrer DIY-Haltung und ihrem kreativen Umgang mit Noise auch Afropunk. Andere weisen auf die Nähe zur Minimal oder Trance-Musik und zur sexuellen Energie des Kuduro und Mapouka hin. Wir halten uns mit Genres aber nicht auf und freuen uns lieber auf eine der aufregendsten Bands der Stunde.

Den Namen Jagwa gab sich die Band während des ersten Golfkriegs. Er soll an französische Kampfflugzeuge vom Typ Jaguar erinnern und war eine Reaktion auf eine rivalisierende Gruppe, die sich davor nach Scud-Raketen benannt hatte. Und zum Titel des Albums: “Bongo” ist der Spitzname für die Stadt Dar es Salaam und entstammt dem Suaheli-Ausdruck "kuchemsha bongo", wörtlich „das Gehirn zum Kochen bringen“ oder „scharf über etwas nachdenken“ – etwas, das man in Dar es Salaam unbedingt zum Überleben braucht.

Bongo Hotheads wurde live vor den Familien der Band, vielen Kindern und neugierigen Nachbarn im Kuti Kavu Studio aufgenommen (aka Jolijos Hinterhof). Als Produzent und Tontechniker war Werner Graebner an Bord, der seit den frühen 80er Jahren in der Musikszene von Tansania unterwegs ist. Ursprünglich forschte er erst über die Tanzmusik und später über den Film des Landes. Danach folgten Albumaufnahmen und er arrangierte internationale Tourneen für Bands wie Culture Musical Club, Bi Kidude, Zuhura Swaleh und Mlimani Park Orchestra. Aktuell produziert Graebner die Zanzibara-Serie für Buda Musique. Gemischt wurde das Album von Vincent Kenis, der schon mit Konono No. 1, Staff Benda Bilili und der Congotronics-Serie für Furore gesorgt hat.

www.jagwamusic.com
www.soundcloud.com/crammed-discs/jagwa
www.crammed.be/crammed/craw80/flashplayer.htm